Anlässlich der Besetzung und anschließend gewaltvollen Räumung des Bumke-Gebäudes durch die Polizei und unserer Recherche zum städtischen Leerstand möchten wir nachfolgend eine Stellungnahme veröffentlichen.
In unserer Recherche und Sichtung offizieller Drucksachen der Stadtverwaltung sind wir auf vier leerstehende Gebäude in städtischem Eigentum gestoßen, welche schätzungsweiße Platz zur Unterbringung von 200 wohn- und obdachlosen Menschen bieten.
Die Beschlüsse, dass diese Gebäude als Unterkünfte für Betroffene von Wohnungslosigkeit genutzt werden sollen, liegen zum Teil schon mehrere Jahre zurück. Längst beschlossene Sanierungsmaßnahmen werden nicht weiter verfolgt und verhindern die Inbetriebnahme.
Wir fragen uns warum und fordern die Stadt auf, zu handeln.
Stellungnahme AKS zum städtischen Leerstand
Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass das Thema Leerstand in dieser Stadt nicht totgeschwiegen werden kann und Gentrifizierungsmaßnahmen nicht unbeantwortet bleiben. Wir solidarisieren uns mit der Besetzung des Bumke-Gebäudes am vergangenen Samstag, den 04.12.2021.
Der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit hat sich in den vergangenen Wochen ebenfalls mit Leerstand auseinandergesetzt. Im speziellen mit städtischen Gebäuden, welche für die Unterbringung von wohnungslosen Menschen genutzt werden sollen, aber seit Jahren leer stehen. Eine Durchsicht der
offiziellen Drucksachen der städtischen Verwaltung hat ergeben, dass aktuell mindestens vier
Gebäudekomplexe auf ihre Inbetriebnahme warten. Die Beschlüsse, dass diese Gebäude als Unterkünfte für Betroffene von Wohnungslosigkeit genutzt werden sollen, liegen zum Teil schon mehrere Jahre zurück.
Konkret geht es dabei um die Augustenstraße 11, die Kleefelder Straße 31, die Rote Reihe in der Schulenburger Landstraße und den Geveker Kamp 9-13.* Schätzungsweise über 200 Menschen könnten in diesen Gebäuden bedarfsgerecht und in Einzelzimmern bzw. eigenen Wohneinheiten auch für Familien untergebracht werden. Diese Kapazitäten werden dringend benötigt, damit Menschen ihre Obdachlosigkeit beenden können, oder nicht angemessene Mehrbettzimmer in anderen Unterkünften endlich verlassen können. Spätestens mit der 2020 veröffentlichten Studie von armutstinkt ist auch der Stadtverwaltung die große Unzufriedenheit mit den derzeitigen Zuständen in der ordnungsrechtlichen Unterbringung und in den Notunterkünften bekannt. Obdachlose Menschen meiden diese auf Grund der miserablen Zustände, schlafen teilweise lieber auf der Straße und setzen sich damit massiven gesundheitlichen Problemen und teils lebensbedrohlichen Situationen aus.
Wir verstehen nicht, warum städtische Gebäude über Jahre hinweg leer stehen, während zunehmend Menschen auf der Straße leben.
Wir verstehen nicht, warum längst beschlossene Sanierungsmaßnahmen und die Inbetriebnahme von 200 Wohnplätzen nicht umgesetzt werden.
Wir verstehen nicht, warum von Jahr zu Jahr an kurzfristigen Konzepten für die „Winternothilfe“ gefeilt und Wohnungslosigkeit weiter verwaltet wird, statt endlich langfristige Maßnahmen zu ergreifen, um Wohnungslosigkeit in Hannover abzuschaffen.
Die stetigen Verzögerungen, Ausreden und nicht enden wollenden Vorplanungen von Sanierungs-maßnahmen offenbaren, dass Teile der städtischen Verwaltung den Ernst der Lage völlig verkennen und kein Interesse daran vorhanden scheint, wohn- und obdachlosen Menschen in Hannover eine menschenwürdige Alternative zum Leben auf der Straße zu bieten.
Wir fordern, dass die Stadtverwaltung offen und transparent erklärt, wieso Wohnraum für 200 Menschen über Jahre leer steht und verwahrlost während Menschen auf der Straße überwintern müssen.
Wir fordern die schnellstmögliche Inbetriebnahme der leerstehenden Gebäude unter den selbstauferlegten Mindeststandards der DS 0863/2019, die Einzelunterbringung zum Regelfall machen. Angefangen mit der Augustenstraße 11.
Wir fordern, dass die Stadtpolitik das Thema Wohnungslosigkeit endlich mit der angemessenen Priorität behandelt und alle schnellstmöglich alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um Wohnungslosigkeit in Hannover abzuschaffen.
Städtischen Leerstand verhindern statt Straße zum Überwintern!
*detaillierte Aufschlüsselungen zu den aktuellen Sachständen der Gebäude, wie es aus den Drucksachen hervorgehen, finden sich in der Anlage.
Beschlüsse und aktuelle Sachstände zu den leerstehenden städtischen Gebäuden:
Augustenstraße 11: Auch wenn wir es begrüßen, dass das Gebäude nun endlich genutzt werden soll, bleibt zu klären, warum das Haus so lange leer stand. Bereits am 06.07.2016 wurde verkündet, dass in dem Gebäude eine Unterkunft für 30 Betroffene entstehen soll, welche „voraussichtlich im ersten Halbjahr 2017 bezogen werden kann“ (Nr.15-0232/2016 N1 S1). Der derzeitig geplante Eröffnungstermin wird, laut HAZ, auf Ende 2023 terminiert. Welche Ereignisse haben die Inbetriebnahme um ganze sechs Jahre verzögert? Neben einer Aufklärung dieses Sachverhaltes erwarten wir von der städtischen Verwaltung, dass sie die Standards zur Unterbringung obdachloser Menschen, welche in DS 0863/2019 festgelegt wurden, auch auf die geplante Notschlafstelle in der dritten und vierten Etage anwendet und dort konsequent Einzelzimmer zur Verfügung stellt.
Geveker Kamp 9-13: Erste Wohneinheiten wurden im September 2017 geräumt, mit den Sanierungs-arbeiten sollte Mitte 2018 begonnen werden (vgl. Nr. 15-0213/2018 F1). Der Sanierungsbedarf stellte sich scheinbar als größer heraus als zunächst gedacht, sodass alle Bewohner*innen bis zum 03.07.2019 ausziehen mussten. Die Planungen für die Sanierung gerieten, laut Aussage der Verwaltung, auf Grund von Personalmangel ins Stocken und konnten 14 Monate nach dem letzten Auszug immer noch nicht abgeschlossen werden (vgl. Nr. 15-1820/2020 F1). Auch wenn mit der Sanierung augenscheinlich endlich begonnen wurde, ist für die Öffentlichkeit weiterhin unklar, wann die Gebäude wieder belegt werden können. Wann rechnet die Verwaltung mit einer Fertigstellung der Wohneinheiten?
Kleefelder Straße 31: Am 03.12.2019 wurde verkündet, dass in der Kleefelder Straße 31 eine neue ordnungsrechtliche Unterbringung entstehen soll. Dort sollen ca. 100 Menschen in kleinen Apartments (Einzelzimmer mit eigenem Bad und Pantryküche) untergebracht werden. Außerdem sollen mindestens zehn der Zimmer barrierefrei sein (vgl. Nr. 3217/2019). Diese werden dringend benötigt, da die Stadt, nach unserem Kenntnisstand, nahezu über keine barrierefreien Unterbringungsplätze verfügt und sie somit ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommt und z.B. Rollstuhlfahrer*innen keine bedarfsgerechte Unterbringung zur Verfügung stellen kann. Der Gebäudekomplex – ein ehemaliges Schwesternwohnheim – wurde im Mai 2020 von der Stadt Hannover erworben. Am 21.09.2020 äußerte sich die Stadt zum Zustand der Gebäude. „Dieses Objekt bietet eine gute Grundstruktur für Unterbringungszwecke und muss nur geringfügig für unsere Bedarfe baulich angepasst werden, jedoch teilweise noch erneuert werden (Leitungssysteme, Elektrik). Die Planungen hierfür laufen an.“ (Nr. 15—2012/2020 F1). Ein halbes Jahr später am 22.03.2021 verlautbarte die Verwaltung, dass die Vorplanungen für die Sanierung angelaufen, aber noch nicht abgeschlossen seien. Erst nach einem Abschluss könnte eingeschätzt werden, wann mit einem Fertigstellungszeitpunkt zu rechnen sei (vgl. Nr. 15-0559/2021 F1). Zwei Jahre nach der Standortbekanntgabe ist bei der Betrachtung der Gebäude für Außenstehende unklar, ob die Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden mittlerweile begonnen haben, oder die Inbetriebnahme weiter verzögert wird.
Wir fragen auch in diesem Fall die Verwaltung, wie sich dieser äußerst zeitintensive Planungsprozess erklären lässt und wann die Zimmer bezogen werden können.
Rote Reihe: Die Schlichthaussiedlung Rote Reihe an der Schulenburger Landstraße wurde größten-teils Mitte 2019 entmietet. Anderthalb Jahre später äußerte sich die Verwaltung zu dem Leerstand. Aktuell laufe eine interne Wirtschaftlichkeitsprüfung zur Gesamtsanierung. Erst nach Abschluss dieser könne mit der Sanierung begonnen werden (vgl. HAZ online 03.12.2020). Nach der Besetzung durch Aktivist*innen am 05.12.2020, wurde am 29.01.2021 beschlossen, dass hanova Wohnen mit der Sanierung der Roten Reihe und einem Objekt in der Schwesternhausstraße beauftragt werde und hierfür 12 Millionen erhalten wird (vgl. Änderungsantrag zur DS 2384/2020). Mit den Sanierungsmaßnahmen scheint bis zum heutigen Tag noch nicht begonnen worden zu sein. Wie konnte es passieren, dass eine Prüfung der Sanierung 18 Monate nach der Entmietung immer noch nicht abgeschlossen war? Wann können die Gebäude endlich wieder bewohnt werden?
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